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Die edle Ronja hatte sich derweil den Schlüssel geschnappt und ging zielstrebig auf die Tür zu. Fest und hart lag das Gerät in ihrer Hand. Das kalte, rauhe Metall verströmte einen geradezu betörenden Geruch nach Eisen und Schweiß, aber auch Reichtum und Erfolg. Die Tür spürte, wie der Schlüssel sich näherte. Seit Jahren war dieser Stab mit den erregenden Zacken immer und immer wieder in ihr erwartungsvolles Schloss gerammt worden.
Doch dieses Mal könnte alles anders werden.
Vorsichtig drückte Ronja die Spitze des Schlüssels an den oberen Rand des betörenden Lochs in der Tür. Der alten, frisch und moosig duftenden Holztür entfuhr unwillkürlich ein leises Seufzen, als der kalte Stahl den Rand ihrer Öffnung elektrisierte. Einige Tropfen aus klebrigem Harz rannen aus einem lange vernachlässigten Astloch und benetzten den Schaft des Schlüssels mit dem herb duftenden Saft einer gut gepflegten Tür.
Wie auf ein unhörbares Zeichen hin ergriff Ronja nun die Initiative und presste die mächtige Stange nach vorne in die Öffnung hinein. Wie jedes Mal war die Tür auch heute wieder überrascht von der Größe dieses Schlüssels. Wie jedes Mal war sie sich nicht sicher, ob dieser dicke und von der Körperwärme des Schlüsselträgers pulsierende Stab wirklich in ihr sicherlich viel zu kleines Schlüsselloch passen würde. Wie jedes Mal fühlte sie, wie tief in ihrem Inneren die Stifte und Federn Platz machten und begannen mit dem in sie eindringenden Gerät zu einer ekstatischen Einheit zu verschmelzen.
Ronja spürte einen leichten Widerstand. Jetzt, da ihr Schlüssel mit dem Schloss und der Tür eine fast körperliche Symbiose bildete, fühlte sie das kurze Zucken, das unwillkürliche Ächzen. Ronja verringerte den Druck etwas, um ihrem Schlüssel die Gelegenheit zu geben, die richtige Position im Inneren der Öffnung einzunehmen. Durch leichtes aber bestimmtes, rhythmisches Schieben schmiegte sie das Eisen tiefer und immer tiefer hinein in das unvergleichliche Loch, das sich vor ihr auftat. Der Schlüssel passte. Ein phantastisches Gefühl durchzuckte die Tür. Ronja, die das Einrasten mit ihren erhöhten Sinnen der jahrelangen Erfahrung in diesem Geschäft sofort fühlte, kannte jetzt kein Zurück mehr.
Mit ganzer Kraft griff sie ein letztes Mal nach und rammte den Schlüssel die letzten Haaresbreiten in das Schloss hinein. Ihre rechte Hand krallte sich gierig um den zitternden Knauf über dem Schloss und massierten ihn leicht. Die Finger huschten über die bebenden Unebenheiten dieser kleinen, runden Melone, die nun hart und fordernd zwischen ihren Fingern wartete. Ihr Daumen erforschte spielerisch die erbsengroße Beule an der Spitze des Knaufes, die durch ihre Berühung zu wachsen begann und sich gegen den liebkosenden Finger drückte. Ronja drehte den Schlüssel in diesem verrückt machenden Uhrzeigersinn, dessen fast mechanische Präzision die Tür sofort an die Grenzen ihres Bewusstseins brachte.
Lautes Stöhnen waberte in die sonderbar angespannte Stimmung im leicht abgedunkelten Raum mit den drei Kisten. Das hell klirrende, federleichte Klicken tief in ihrem Inneren, sagte der Tür, dass es nicht mehr lange dauern würde. Stöhnend, bettelnd, seufzend, wimmernd, flehend. Ein Wirrwarr der Gefühle durchzuckte sie in immer schneller werdendem Wechsel. Kurz vor der göttlichen Sechs-Uhr-Position des Schlüssels gab es auch für die Tür kein Halten mehr. Alle Stifte und Federn in ihrem Inneren, bis zum letzten gespannt und kurz vor dem Zerbersten, gaben nach. Der winzige Riegel, der letzte Halt zwischen der Tür und der umgebenden Wand, zuckte zurück. Die Tür ließ die Wand, die bis gerade eben noch all die Sicherheit der Welt für sie bedeutet hatte, los und gab sich den über ihr hereinbrechenden Wellen hin. Tief aus dem Inneren ihres Schlosses pulsierte Hitze bis in die letzte Faser ihrer sich aufbäumenden Bretter. Das katzenartige Kratzen der winzigen, spitzen Nägel über den Boden des Dungeons war nicht mehr aufzuhalten. Die euphorischen Schreie der Schaniere brachen aus ihr heraus.
Die Tür öffnete sich.
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